Outgoing Russland
Outgoing Russland
Kälte, Vodka und ganz viel Pelz. Das sind die Stichworte, die man hört, wenn man erzählt, dass man für ein Auslandssemester nach Russland will. Nun ja, ganz so, wie es sich manche vorstellen, ist es nicht im kalten Russland. Bis auf die Kälte. Kalt ist es, oh ja! Damit dieser Bericht nicht ausschweifend lang wird, was durchaus passieren könnte, habe ich euch meine fünf Highlights aus vier Monaten Sankt Petersburg kurz und (fast) knapp zusammengefasst:
Die Stadt
Sankt Petersburg ist einfach nur ein Traum, was jeder bezeugen kann, der schon einmal dort gewesen ist. Die Stadt ist wie ein einziges Museum mit ihrer einzigartigen Architektur, den vielen Brücken und Kanälen. Sogar die Metrostationen sind eigene, kleine Sehenswürdigkeiten für sich. Zurecht zählt die Innenstadt von Sankt Petersburg zum UNESCO Weltkulturerbe und nicht umsonst wird sie auch als das „Tor zum Westen“ bezeichnet. Die Stadt ist russisch und europäisch zugleich und entwickelt sich immer schneller zu einem beliebten Reiseziel. Riesige Einkaufszentren, leckere Restaurants und hippe Bars findet man an jeder Ecke. „Hipsterschick“ ist auch in Russland angekommen. Sorry Berlin, aber du kannst einpacken.
Studentenleben
Direkt im Zentrum der Stadt, 5 Minuten vom berühmten Newski-Prospekt, befindet sich die Saint- Petersburg State University of Economics, eine der größten Wirtschaftsuniversitäten Russlands. Eine ganze Minute Fußweg vom Unigebäude liegt auch das Studentenwohnheim. Für einen Pendler wie mich war das also wie der Himmel auf Erden. Da ist dann auch die Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen erträglich. Ok, sagen wir erträglicher. Im Studentenwohnheim gibt es Einzel- oder Doppelzimmer, die Küche teilt man sich aber mit allen anderen Studenten, die im selben Stockwerk leben. Einige dieser entspannten, gemeinsamen Küchenabende zählen unter anderem zu den lustigsten und schönsten Erinnerungen an meine Zeit in Russland.
Kulinarische Höhepunkte
Sankt Petersburg hat auch für Foodies so einiges zu bieten. Angefangen bei traditioneller russischer Küche und Pelmeni im Sowjetcafé, Schaschlik vom Georgier um die Ecke, Café au lait und frischen Croissants von „Antoine“, bis hin zu veganen Spezialitäten oder Anti-Cafés, in denen man nur für die dort verbrachte Zeit bezahlt. Es gibt nichts was es nicht gibt und man möchte am liebsten alles einmal ausprobieren. Einen guten Start haben wir schon hingelegt, aber weitere 7-8 Semester dort würden auch nicht schaden, um wirklich alles durchzuprobieren.
Die Eremitage
Was wäre dieser Bericht ohne die wunderschöne Ermitage, mit Abstand einer der schönsten Orte der Stadt direkt an der Newa. Neben dem Louvre und Prado eines der bedeutendsten und größten Kunstmuseen der Welt. Auch für Kunstbanausen einen oder zwei oder drei(?) Besuche wert. Picasso, Da Vinci, Rembrandt und Michelangelo – alle sind sie dort versammelt. Und auch der gesamte Gebäudekomplex, zu dem unter anderem der Winterpalast (die ehemalige Residenz der russischen Zarenfamilie) gehört, ist einfach ein Highlight für sich. Eintritt ist für Studenten frei, hurray!
Naturphänomene und sonstige Festivitäten
Die Russen zelebrieren das Leben und auch die kleinen Dinge des Lebens. Während meines Aufenthalts von Februar bis Ende Juni, hatte ich das Glück viele Feiertage und Feste mitzuerleben. Wie zum Beispiel den internationalen Weltfrauentag im März, der in Russland sehr, sehr groß gefeiert wird. Überall in der Stadt sieht man an diesem Tag Frauen mit Blumensträußen in der Hand. In Geschäften, Restaurants und auf der Straße wird gratuliert und nicht nur Mama oder die Freundin werden beschenkt, sondern alle Frauen von klein bis groß. Auch der nationale letzte Schultag der Abiturienten fiel in diesen Zeitraum und wurde wie jedes Jahr, mit einem riesigen Feuerwerk und kostenlosen Konzerten in der ganzen Stadt zelebriert. Nicht zu vergessen ist natürlich der neunte Mai, der wichtigste und bedeutendste Feiertag in Russland, um an das Ende des zweiten Weltkrieges und die Gefallenen zu gedenken. Eine Veranstaltung, die ich sonst nur aus dem Fernseher kannte, so nah und live mit zu erleben war etwas ganz Besonderes. Und natürlich mehr als emotional. Auch die sogenannten „weißen Nächte“ fielen in den Zeitraum meines Auslandssemesters. Dieses Naturphänomen führt dazu, dass es zwischen Ende Mai und Anfang Juli nie vollständig dunkel wird und es so scheint, als ob ein magischer Schleier über der Stadt liegt – da wird nicht nur den Romantikern warm ums Herz.
Doch wie heißt es so schön: “All good things come to an end“. Und ja, so ist das leider. Die vier Monate in Russland waren eine unvergessliche Zeit, ich habe viele neue Leute aus der ganzen Welt kennen lernen dürfen, so viele unterschiedliche Seiten von Russland entdeckt, viel über Land und Leute gelernt, über unterschiedliche Kulturen, aber auch sehr viel über mich selbst. Ein Auslandssemester kann ich jedem nur empfehlen. Wir haben die Möglichkeiten in so vielen Ländern und an den unterschiedlichsten Universitäten zu studieren, das sollte man auf jeden Fall nutzen. Aber ein Semester in Sankt Petersburg kann ich euch natürlich ganz besonders ans Herz legen. Vor allem, wenn man sich für russische Geschichte, Literatur und Kultur interessiert. Aber ach, natürlich auch sonst. Man wird sich automatisch in die Stadt verlieben, selbst wenn man mit Puschkin, Dostojewski und Co. nichts anfangen kann. Sankt Petersburg hat für jeden seinen ganz eigenen Zauber.
Text und Bilder: Valeria Truschinski