Fluchterfahrungen
In Ausgabe Nr. 5 der verbronxt. wurde in einem Interview mit Frau Backhaus das Angebot der Hochschule für Studieninteressierte mit Fluchterfahrung vorgestellt. In dieser Ausgabe soll nun die Flüchtlingsarbeit der Stadt Heilbronn dargestellt werden. Unsere Reporterin Antonia Weber traf sich dazu auf ein Gespräch mit der Flüchtlingsbeauftragten der Stadt Heilbronn vom Amt für Familie, Jugend und Senioren Frau Mona KlenkFrau Maria Theresia Tzschoppe von der ARGE Flüchtlingsarbeit.
Vor einem Jahr lief eine Welle hilfesuchender Menschen nach Europa und jeden Tag kamen in den Medien neue Meldungen über Flüchtlingsströme nach Deutschland. Der Satz der Bundeskanzlerin Angela Merkel „Wir schaffen das“, auf einer Pressekonferenz Ende August 2015, ging durch die Welt und gab Millionen schutzbedürftiger Menschen Hoffnung auf eine neue Zukunft. Doch wie die Lage heute ist und wie Geflüchtete nach Heilbronn kommen, klären wir in diesem Artikel.
Asylsuchende Menschen werden nach ihrer Ankunft in Deutschland gemäß des Königsteiner Schlüssels auf die Bundesländer verteilt. Somit werden prozentual auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg die meisten Geflüchteten verteilt. In den sogenannten Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) der Bundesländer (in BaWü: Heidelberg/Mannheim, Karlsruhe, Ellwangen und Meßstetten; zwei weitere in Freiburg und Schwäbisch Hall sind in Planung) werden diese dann beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) registriert und ärztlich untersucht. Von dort aus werden die Menschen auf Städte und Regionen verteilt, hierbei achtet man auf Einwohneranzahl und Pro-Kopf-Einkommen.
Ankunft in Heilbronn
Die Stadt Heilbronn fungiert in Baden-Württemberg als Vorläufige- und Anschlussunterbringung und ist aufgefordert der Nachfrage nach Unterbringung, Schutz und Zugang zu Bildung gerecht zu werden. Im letzten Jahr sind zu Hochzeiten monatlich bis zu 300 Personen mit dem Reisebus nach Heilbronn gebracht worden. Mittlerweile sind es nur noch etwa 10, was deutlich mit der Schließung der Balkanroute zusammenhängt. Nach ihrer Ankunft in der Austraße, werden sie weiter auf Großunterkünfte (ausschließlich für alleinstehende Männer) oder auf Wohnungen verteilt.
Scheinbar endlose Warterei
Mit Einführung des Integrationsgesetzes im August 2016, sind nun bleibeberechtigte Geflüchtete an die Wohnsitzauflage gebunden, die besagt, dass sie solange in der Unterkunft bleiben müssen, bis die betroffene Person eine Arbeitsstelle, Ausbildung- oder Studienplatz gefunden hat. Es ist allerdings keine Seltenheit, dass Geflüchtete bereits über ein halbes Jahr warten mussten, ehe sie einen Antrag stellen können. Grund dafür waren bisher die überlasteten Strukturen im zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ist der Antrag eingereicht, vergehen oft weitere sechs Monate bis der Bescheid endlich kommt. Die, der Bürokratie verschuldeten, Warterei führt oft zu Unmut bei den Menschen. Die, zumeist jungen, Männer sind gezwungen in den Unterkünften auszuharren, dabei wollen sie schnell Arbeiten gehen um Geld zu schicken oder ihre Familie nachholen. Dies ist jedoch nur mit dem Status der Anerkennung möglich.
Wie geht es weiter?
Sobald der Asylantrag genehmigt ist oder die Anerkennungswahrscheinlichkeit bei über 50% liegt (bei Asylsuchenden aus Syrien, Somalia, Eritrea, Iran und Iran) kommt die Maschine in Gang. Dann können Integrationsangebote in den Städten und Gemeinden in Anspruch genommen werden. Die anerkannten Flüchtlinge besuchen Integrationskurse, die neben einem Sprachkurs auch einen Orientierungsteil über die deutsche Kultur und Geschichte beinhalten. Diese Integrationskurse werden vom BAMF konzipiert und meist finanziert. Weiter wird durch die Flüchtlinge nach passendem Wohnraum gesucht und gegebenenfalls der Familiennachzug organisiert. Währenddessen bemüht sich die Agentur für Arbeit die Menschen an Unternehmen und Vereine als Praktikanten, Auszubildende oder Berufseinsteiger zu vermitteln oder in das Bildungssystem zu integrieren.
Status heute
Derzeit leben 1300 Menschen mit Fluchthintergrund in der Stadt Heilbronn. Dabei sind nicht alle aus Syrien. Laut Zahlen des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg kamen im Oktober 2016 die größten Gruppen Geflüchteter zu 15% aus Syrien, 14% aus Gambia, 10% aus Nigeria und 5% aus dem Irak.
Für die Mitarbeiter der Stadt Heilbronn, der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingsarbeit Heilbronn (ARGE) und die Ehrenamtlichen aus verschiedensten Arbeitskreisen in und um Heilbronn haben sich mittlerweile die Thematiken verschoben. Waren es vor einem Jahr noch die schnelle und provisorische Unterbringung in Turnhallen und Gemeindezentren, der Aufbau des Integrationsangebots oder die Zusammenstellung von Wohnungseinrichtungen, ist es heute die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und der Familiennachzug.
Der Abriss des massiven Zustroms, durch die Schließung der Balkanroute, verschafft den Behörden und ihren Mitarbeitern etwas Zeit, um die Provisorien zu korrigieren, z.B. das Auflösen von Großunterkünften in Sporthallen, wie das Olgazentrum. Die Kür dabei ist es Personen mit Fluchterfahrungen nicht besser zu stellen, als sozial beeinträchtigte Menschen in unserer Gesellschaft, für die das Amt für Familie, Jugend und Senioren auch zuständig ist. Des Weiteren werden Knoten entzerrt und Strukturen vertieft, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein und in Zukunft eine flüssige und schnelle Bearbeitung sicherzustellen.
Was kann ich tun?
Mit dem schwinden Medieninteresse schrumpft auch die Anzahl der aktiven Ehrenamtlichen in Heilbronn. Der feste Kern von etwa 400 Ehrenamtlichen besteht zumeist aus Senioren, Paaren und Familien. Doch für die größte Gruppe der Neuankömmlinge im Alter von 16 – 25 Jahren gibt es bisher kaum Gleichaltrige für gemeinsame Aktivitäten. Daher werden gerne junge Leute gesehen, die sich für ein Patenschaftsprogramm interessieren oder sich kontinuierlich wöchentlich bei der Hausaufgabenbetreuung, Kinderbetreuung, Sprachförderung oder in Begegnungscafés beteiligen, um das Helfernetz auszubauen und Vertretungen zu schaffen. Leider wird seit einigen Monaten ein Rückgang der Besucherzahlen in den Begegnungscafés von Böckingen und in der Innenstadt verzeichnet und auch das Café International der Hochschule Heilbronn ist nach wie vor eher spärlich besucht.
Wer Interesse an einem Engagement hat, meldet sich zuerst bei Marijaana Gothe von der ARGE Flüchtlingsarbeit Heilbronn (marijana.gothe@awo-heilbronn.org), um bei einem gemeinsamen Beratungsgespräch das richtige Arbeitsgebiet und den richtigen Ansprechpartner, der jeweiligen Arbeitskreise zu bestimmen. Derzeit bestehen im Landkreis um die Unterkünfte herum 12 Arbeitskreise und fünf in der Stadt Heilbronn. Die Aufgaben widmen sich der Beschäftigung und Integration der Bewohner, um die Wartezeit erträglicher zu machen und sinnvoll zu gestalten. Ob Sprachförderung, Begleitung bei Behördengängen oder Arztbesuchen, bis hin zur individuellen Betreuung von Familien.
Die ARGE Heilbronn ist ein Zusammenschluss aus Vertreterinnen der AWO Heilbronn, der Caritas Heilbronn-Hohenlohe und des Diakonischen Werks Heilbronn und entstand im Mai 2015, als Vermittler zwischen den selbstgebildeten Arbeitskreisen und der Stadt Heilbronn. Heute unterstützen sie das autarke Netzwerk mit regelmäßigen Treffen, Veranstaltungen und Angeboten für die Helfer. Der Austausch untereinander ist sehr wichtig, um aus den Erfahrungen zu lernen und die Helfer zu entlasten.
Informationsseiten zur städtischen Flüchtlingsarbeit
- Städtische Website: https://www.heilbronn.de/familie-gesellschaft/fluechtlinge.html.
- Facebookseite der ARGE: „Heilbronner für Flüchtlinge“ https://www.facebook.com/ARGE.Fluechtlingsarbeit/
Gerne kann man sich auch für den monatlichen Newsletter eintragen lassen.
Dazu eine Mail an Frau Maria Theresia Tzschoppe (maria.tzschoppe@diakonie-heilbronn.de)
Text: Antonia Weber
Bild: Maximilian Walter
Dieser Artikel erschien in Ausgabe Nr. 6 vom 31.05.2017