Studenten – Wir sind zu jung, um etwas zu bewegen.

Kurz vorab: Aus gegebenem Anlass möchte ich heute die Gelegenheit dazu nutzen, einmal vom Konzept dieser Kolumne abzuweichen und über etwas Grundsätzliches zu sprechen.
Die Welt scheint gerade wieder einmal ein furchtbarer Ort geworden zu sein. Terroranschläge und Kriegshandlungen dominieren die Nachrichten, während der Klimawandel leise im Hintergrund sein Unwesen treibt und wir uns wundern dürfen, wieso in Deutschland
immer mehr rechte Stimmen erstarken. Allzu gerne würden wir daran etwas ändern. Wir können aber leider nicht. Wir sind zu jung. Zu unerfahren. Da gibt es deutlich Qualifiziertere. Außerdem, wenn wir allein etwas tun, was soll das schon anrichten…
„Das regt mich so auf… Wieso ist das so? Was machen die da? Wieso wird das nicht anders?“ Es wird erst viel darüber gemeckert, wie schlimm im Grunde alles ist, kurz inne gehalten, vielleicht noch schnell das Profilbild bei Facebook geändert und anschließend
betrübt festgestellt, dass man ohnehin nichts bewirken würde, bevor man schließlich wieder dem eigenen Alltag nachgeht.
Jetzt käme dann eigentlich die Stelle, an der wir alle bestürzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und uns für unsere Ohnmacht selbst bemitleiden sollten. Wenn da nur eine Sache nicht wäre: Das alles ist ein großer Denkfehler. Du kannst etwas ändern. Einen Unterschied machen. Wenn du nur willst!
Wir denken häufig eine Spur zu groß. Natürlich kannst du nicht eben in den Irak fliegen und alle dazu bringen, sich zu vertragen. Genauso wenig kannst du – zack – den Rechtsextremismus in Deutschland besiegen oder alle Islamisten dieser Erde dazu bewegen,
ihre Ideologie wegzuschmeißen und einfach friedlich mit dem Rest der Welt zu leben.
Was du aber sehr wohl tun kannst, ist, den Extremismus aus deinem Umfeld zu verjagen. Du hast großen Einfluss auf diejenigen, die dich sehen. Auf deine Familie, Freunde,  Kommilitonen. Bei jedem, mit dem du sprichst, hinterlässt du einen Eindruck. Zum Guten
oder zum Schlechten.
Wenn du mir das nicht glaubst, kannst du das gerne an dir selbst überprüfen: Du hast in drei Tagen Klausur und hast noch viel zu wenig gelernt. Am nächsten Morgen meint dein Nebensitzer: „Junge, ich hab die ganze Nacht durch gelernt.“ Du bekommst jetzt etwas Panik und vor allem Feuer unterm Hintern. Hätte er hingegen gesagt: „Alter, ich hab bisher noch gar nicht angefangen, aber ich hab auch echt keinen Bock!“ hättest du ein Gefühl der Erleichterung
verspürt und wahrscheinlich das Feierabendbierchen mal wieder dem Lernstoff vorgezogen.
Zeig also deine Meinung und Überzeugungen! Bleib nicht passiv, wenn dir etwas nicht passt! Du veränderst dein Umfeld, ob du willst oder nicht. Nutze diese Möglichkeit!
Und, so banal es klingen mag, aber große Veränderungen geschehen nicht einfach über Nacht. Sie sind das Werk vieler kleiner Taten und Ereignisse, die am Ende zu einer großen Sache zusammenwachsen. Wir sind weder zu jung, noch zu unerfahren, um Verantwortung
zu übernehmen. Blicken wir doch einfach einmal zurück: Vieles von dem, was wir heute in Deutschland während des Studiums als selbstverständlich genießen dürfen, wurde seinerzeit von Menschen unseres Alters angestoßen. Die 68-er Bewegung, die es schaffte, eine
grundlegende Reform des Denkens einzuleiten, hatte ebenso eine lange Vorgeschichte wie ein Zusammenschluss von Studierendenschaften, der 1848 gar dazu führte, dass Deutschland erstmals zur Demokratie wurde. Dazu mussten 30 Jahre zuvor jedoch erstmal solche Zusammenschlüsse gegründet und in den folgenden Jahren etabliert werden. Häufig ist der Bestqualifizierte für eine Aufgabe eben der, der sie erledigt. Weil sie sonst womöglich niemand erledigt hätte.
Das nächste Mal, wenn du also auf etwas schimpfst, überlege dir, wie du einen Anteil zur Veränderung beitragen kannst, möge er auch nur klein sein. Denn wer nicht bereit ist, Zeit und Energie zu investieren, der möchte im Grunde auch nichts verändern. Sondern nur mal wieder etwas meckern.
Jonas Speiser
Ex(il)-Präsi
Du hast eine Meinung zu dieser Kolumne, oder würdest Jonas gerne
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Bild: János Adelsberger

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe Nr. 3 vom 20.01.2016

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