Studentenstadt – Dass ich nicht lache.

Heilbronn ist Wissensstadt. Das sagt das Stadtmarketing. Auch wenn hier nicht genauer spezifiziert wird, was so eine Wissensstadt denn eigentlich ist.
Heilbronn wird Studentenstadt. Diese gewagte Aussage traf Harry Mergel, amtierender Oberbürgermeister eben dieses Örtchens, kürzlich bei der Auftaktveranstaltung zur neuen Stadtperspektive. Das ließ mich zuerst einmal lachen: Heilbronn? Dieses Heilbronn soll zur Studentenstadt werden? Dazu fehlen doch all die urigen Bars, die Atmosphäre, die Studentenkultur! Oder was heißt überhaupt „Studentenstadt“?
Da ich ja nun BWLer bin, habe ich mir zuerst einmal Zahlen angeschaut:
Heilbronn hat 125.000 Einwohner, davon grob 8.000 Studenten. Münster hat beispielsweise 297.000 Einwohner. Kann also nicht sein, Heilbronn ist viel zu klein. Aber halt! Heidelberg ist nicht wesentlich größer als Heilbronn. Dort leben allerdings rund 35.000 (!) Studenten. Folglich hat Heilbronn mit seinen 8.000 Studis einfach gar kein Potenzial. Obwohl… Konstanz wiederum hat nicht wesentlich mehr als 10.000 Studenten. Und in Hamburg studieren zwar ganze 88.000 Menschen, die gehen aber in der schieren Größe der Stadt vollkommen unter. Kommt es also einfach auf den Prozentsatz der Studenten an der Gesamteinwohnerzahl
an? Macht das eine Studentenstadt aus? Vielleicht. Es scheint auf jeden Fall wichtig zu sein. In jeder der sogenannten Studentenstädte studieren aktuell mindestens 10 % der Einwohner. Genauso wie in Künzelsau übrigens. Da gibt es aber besagte Studentenkultur überhaupt nicht. Ich sehe also, ich komme mit meinen Zahlen nicht groß weiter.

 

Es muss einen anderen, wesentlicheren Faktor als die Größe oder Zahl der Studierenden geben. Und den gibt es.
Was all diese Städte eint, ist: Bezahlbarer Wohnraum, reichhaltiges Kultur- und Ausgehangebot, sowie vor allem jene Orte, an denen man sicher sein kann, rund um die Uhr seine Kommilitonen anzutreffen. Und das ist nicht einfach so da, nur weil in besagten Städten Unis stehen. Das kommt auch nicht automatisch ab einer Zahl von 8.863 Studenten oder einer Studentenquote von 8,942 %. Das kommt, weil irgendein Studierender mal eben eine Bar eröffnet und nach dem Studium weiterbetreibt. Das kommt, weil irgendein Studierender Veranstaltungen organisiert. Das kommt, weil Lokale, Bars, Kinos, Theater, etc. davon überzeugt werden, dass es doch eine tolle Sache sei, Studenten mit Rabatten zu locken. Und Studierendenwerke davon, Wohnheime zu bauen. Das kommt, weil Menschen ihr Studium voll nutzen und nicht vier Jahre ihres Lebens mit Passivität und Berieselungstherapie verbringen wollen!
Und als mir das klar wurde, stellte ich das Lachen ein und begann zu fantasieren. Es ist also möglich! Denn nicht die Gebäude machen die (Studenten-)Stadt, sondern die Menschen. Und die gibt es. In Heilbronn, in Künzelsau und in Schwäbisch Hall.
Worauf wartest du also? Nimm dein Leben in die Hand, hab‘ Mut zur Initiative und baue auf, was dir fehlt! Du hast 8.000 Kommilitonen, die dir dabei helfen können.
Jonas Speiser
Ex(il)-Präsident
Foto: Laura Fuchs

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe Nr. 2 vom 19.11.2015

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