Wie engagiert sich die Hochschule für geflüchtete Studieninteressierte?

Ein Interview mit Wibke Backhaus

Wibke Backhaus ist die Leiterin des Referats für Gleichstellung und Diversität der Hochschule Heilbronn. Es ist die zentrale Anlaufstelle bei allen Fragen rund um Geschlechtergleichheit, Förderprogramme für Frauen, Anti-Diskriminierung, Vereinbarkeit von Studium mit der Familie, sowie Förderung im Umgang mit Diversität an der Hochschule.

Frau Backhaus, Sie leiten das Referat für Gleichstellung und Diversität. Welche Aufgaben verfolgen Sie?

Das Referat funktioniert nach der Prämisse der Bildungsteilhabe und der Schaffung eines Nachteilsausgleiches. Das betrifft natürlich nicht nur Frauenförderung oder Personen mit Beeinträchtigung, sondern auch Menschen, die zum Beispiel als erste aus ihrer Familie den akademischen Weg einschlagen oder solche, die sich ihr Studium komplett selbst finanzieren müssen oder aber auch jene, die eine eigene Familie haben. All diese Leute können durch die Hochschule Heilbronn Unterstützung erfahren, um einen Zugang zur Hochschulbildung für alle zu ermöglichen.

Wie kommt es, dass Ihre Abteilung sich auch für geflüchtete Studierendeninteressierte einsetzt?

Na klar haben wir am Anfang überlegt, wo wir das Engagement ansiedeln, zum Beispiel im International Office. Allerdings, als ich Anfang 2015 meinen Dienst an der Hochschule antrat, war es mir wichtig, da anzupacken, wo es gerade brannte und das war eben das Thema, wie die Hochschule Menschen mit Fluchthintergrund integriert. Somit ist es nun als zusätzliche Aufgabe in das Referat eingegangen. Prinzipiell finde ich es hier am richtigen Platz, nur leider sind die personellen Ressourcen knapp.

Welche Voraussetzungen muss ein Akademiker mit Fluchterfahrung mitbringen, um sich an einer deutschen Hochschule einzuschreiben?

Als erstes eine formale Hochschulzugangsberechtigung in Form eines Abschlusszeugnisses aus dem Heimatland. Diese muss übersetzt und beglaubigt an das Studienkolleg in Konstanz geschickt werden, um sich für die Zeugnissanerkennung zu bewerben. Ist die Freigabe erfolgt, fehlt noch der Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse. Mindestens B2 ist erforderlich, einige Hochschulen fordern aber C1. Ist die Bewerbung an einer Hochschule erfolgreich, kann sich der angehende Student noch Leistungen aus seinem vorherigen Studium im Heimatland anrechnen lassen.

Kooperiert die Hochschule mit der Stadt Heilbronn oder anderen Organisationen?

Ja, wir sind sehr vernetzt. Mit dem Engagement von Frau Fleuchhaus als Prorektorin Internationalisierung wurde Anfang 2015, ursprünglich einmal für die Belange von „degree-seeking students“, ein Roundtable für „Willkommenskultur in Heilbronn“ gegründet. Etwa viermal im Jahr und nach Bedarf treffen wir uns, um über Themen wie Wohnraum, Finanzierung, Sprache, Gesundheit und Arbeitsmarkt zu sprechen. Diesen Kreis konnten wird dann gleich optimal für unsere neuen Pläne nutzen und stehen dementsprechend immer in Kontakt. So haben wir in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlingsarbeit (ARGE) unseren neuen Studium Generale Programmpunkt „Be our Guests“ ausgearbeitet. In diesem werden interessierte Studenten in mehreren Workshops als Studienguides für Geflüchtete ausgebildet. Leider sind die Anmeldungen zu diesem Engagement sehr gering ausgefallen, was mich sehr verwundert und auch enttäuscht.

Was wurde noch entwickelt?

Sehr viel! Wir haben ein Programm ausgearbeitet, was sich in vier Punkte unterteilen lässt.

Zum einen wollen wir Informationen geben. Dazu zählen die beiden, bisher im Januar und Juni, abgehaltenen Informationsveranstaltungen für Studieninteressierte in drei Sprachen, die Erstellung von Informationsmaterial zum Mitgeben, eine Internetseite und ein E-Mailverteiler, wo Angebote wie Sprachkurse, Stipendienausschreibungen oder Schulungen geteilt werden, wurden eingerichtet. Damit sollen die Interessenten in die Lage versetzt werden, gut informierte und realistische Entscheidungen über ihren weiteren Bildungsweg in Deutschland zu treffen.

Der nächste Aspekt ist die Studienvorbereitung. Zum Beispiel gab es vor einem Jahr noch kein Sprachkursangebot zur Studienvorbereitung in Heilbronn. So wurde in Zusammenarbeit mit der Technischen Akademie Heilbronn (TAH), unter Leitung von Herr Dr. Prof. Juarez-Medina der Fakultät IB, ein Deutschkurs für Akademiker mit Fluchterfahrungen ins Leben gerufen. Er besteht aus einem intensiven Sprachkurs mit dem Ziel das C1 Zertifikat zu erhalten, begleitenden Tutorien und einem Seminar zur Vorbereitung auf ein Studium in Deutschland. Währenddessen haben Teilnehmer die Gelegenheit, sich als Gasthörende im Zielfach einzuschreiben und so schon erste Eindrücke zu gewinnen. Auch eine Kooperation mit KIRON, dem Onlinestudium für Geflüchtete, wurde unterzeichnet.

Als nächstes stellen wir Beratungs- und Unterstützungsangebote, wie Einzelberatung oder Stipendienförderung zur Verfügung. Mit Unterstützung und großzügiger Spende der Christian-Bürkert-Stiftung ist es gelungen einen Notfond einzurichten, der es ermöglicht studierende und studieninteressierte Geflüchtete persönlich zu unterstützen und Finanzierungslücke abzufangen.

Wie können die Studierenden der Hochschule Heilbronn aktiv werden?

Ich wünsche mir ganz ausdrücklich, dass die Studierenden aktiv werden. Bisher verzeichne ich eher eine gewisse Scheu und Zurückhaltung. Die frühen Bindungen an die Hochschule, insbesondere der Kontakt zu Studierenden, vermitteln ein realistisches Bild der späteren Studienanforderungen, tragen aber auch zur sozialen Integration der Geflüchteten bei, die oft aufgrund ihrer Wohnsituation nur wenig Kontakt zu gleichaltrigen Deutschen haben. Sie helfen die, als unerträglich lang erlebte, Übergangsphase ins Studium zu bewältigen und an den eigenen Zielen festzuhalten. Um dies zu erreichen haben wir den vierten Punkt aus unserem Programm erschaffen. Zum Beispiel mit dem bereits erwähnten Studium Generale Programm „Be our Guests“ und der Ausbildung zum Studien-Guide oder Welcome-Guide. Mit der Gründung des Café International wurde eine ungezwungene und lockere Plattform zur Vernetzung, zur Erstinformation zum Studium und zur Planung gemeinsamer Aktivitäten ins Leben gerufen. In den Fakultäten haben einige Professor/innen und Lehrbeauftragte Studienprojekte initiiert, die sich im Rahmen des Fachstudiums mit Integrationsthemen beschäftigen und das Referat für geflüchtete Studieninteressierte von der Verfassten Studierendenschaft koordiniert die studentischen Aktivitäten und vernetzt diese mit den oben genannten Initiativen. Gerne dürfen sich die Studierenden eigene Aktivitäten ausdenken, das Referat für geflüchtete Studieninteressierte und ich unterstützen Sie sehr gerne bei der Koordinierung und Organisation Ihrer Ideen, nur die Initiative muss von Ihnen selbst kommen. Von diesen Kontakten profitieren auch Studierende ohne Fluchterfahrungen und andere Hochschulangehörige.

Referat für geflüchtete Studieninteressierte von der Verfassten Studierendenschaft

Leiterin: Alisa Trefz

hn-gs-vs@hs-heilbronn.de

 

Referats für Gleichstellung und Diversität

Leiterin: Wibke Backhaus

gleichstellung@hs-heilbronn.de

wibke.backhaus@hs-heilbronn.de

 

Text: Antonia Weber

 

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe Nr. 5 vom 30.11.2016

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