„WIEDENHÖFER“

Was treibt ihr so, nachdem euch in den Vorlesungen die Köpfe rauchten? Das wollen wir in dieser Rubrik aufklären. Hier ist Over the Tellerand – Studierende mit Engagement.

Heute: Fabian Wiedenhöfer. Dieser junge Mann hat in seiner Freizeit einfach mal eine komplette Studierendenvertretung aufgebaut. Heute ist er Vorsitz der Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg und geht in Ministerium und Landtag ein und aus. Wie er das angestellt hat, erzählt er in folgendem Interview.

Was machst du an der Hochschule? 

Jetzt gerade bin ich vor allem Landesweit aktiv. Ich hatte schon ganz viele Ämter an der Hochschule, sowohl in der studentischen, als auch in der akademischen Selbstverwaltung.

Welche denn so? 

Ich war in der Studienkommission, im Fakultätsrat und im Senat. Dann später im Qualitätssicherungsmittelausschuss und in diversen Ausschüssen des Senats. Von der Studierendenschaft aus natürlich Studierendenpräsident, Fachschaftsrat, Referat für Hochschulpolitik, Vertreter im Verwaltungsrat des Studierendenwerks, diverse StuPa Ausschüsse und und und…. Ich kann euch da eine Liste schicken (lacht).

Zudem habe ich mehrere Satzungen für die verschiedenen Gremien geschrieben, mit denen wir heute in der Studierendenvertretung arbeiten.

Du versuchst also, den Laden in der Hochschule aufzumischen? 

Den Laden aufmischen? (lacht)

Naja, mir geht es vor allem darum, die Bedingungen für Studierende an der Hochschule zu verbessern. Das Studium, aber auch die Lehre. Und das alles möglichst langfristig, was manchmal schwierig ist.

Deine Motivation, etwas zu bewegen?

Ich war schon in meiner Jugend bei den Pfadfindern aktiv, und habe dort als Jugendleiter einer Pfadigruppe ähnliche Strukturen wie in der Studierendenschaft mitbekommen. Schon früh habe ich also die Erfahrung gemacht, wie viel Spaß Engagement machen kann.

Als ich dann nach Heilbronn gekommen bin, hat es mich einfach so angekäst, dass bei uns an der Hochschule nichts los war. Das wollte ich ändern! Fachschaften zum Beispiel haben damals noch gar nicht existiert. Ich dachte mir, meckern bringt nichts. Lieber helfe ich mit, dass etwas in die Gänge kommt.

Wie kamst du dann zur Studierendenschaft? 

Oh, das ist ja alles schon ziemlich lange her…

Als Ende 2012 in Baden-Württemberg die Studierendenschaften wieder eingeführt wurden, habe ich mich immer mal wieder darüber informiert, was man so machen kann. Anfangs habe ich natürlich auch nicht so richtig gecheckt, was hinter den ganzen Gremien steckt. Fachschaft, Studierendenparlament, AStA, …

Zunächst ist es schwierig, da durchzublicken. Letztendlich haben jedoch alle eins gemeinsam: Die Interessen der Studierenden zu vertreten. Gemeinsam bilden sie eben die Studierendenschaft.

Es gab da 2013 diese eine Vollversammlung. In der Versammlung ging es damals richtig rund. Es ging darum, ob man den damaligen AStA e.V.* als Studierendenvertretung festlegt oder eben alles plattmacht und die Verfasste Studierendenschaft aufbaut. Bestimmte Leute mussten natürlich darauf beharren, dass der AStA e.V.* die Kompetenzen dazu habe, was kompletter Schwachsinn war. Da habe ich zum ersten Mal so richtig das Wort ergriffen. Letztendlich haben wir es geschafft und eine ordentliche Studierendenvertretung wurde geschaffen!

Wie war dein schulischer Werdegang? 

Ich habe damals mit der Hauptschule angefangen, habe erst die Werkrealschule gemacht, dann das zweijährige Berufskolleg. Danach folgte ein weiteres Berufskolleg, nachdem ich die Fachhochschulreife hatte. Anschließend habe ich meinen Zivildienst gemacht. Auch im Zivildienst habe ich viel zum Thema Gruppendynamik und Kindentwicklung gelernt und verschiedene Seminare belegt. Ich habe damals als Kinder- und Jugendbetreuer in einem Heim gearbeitet.

Joa, und danach war ich erstmal zwei Jahre lang reisen.

(geschockt) Bist du dann nicht schon sehr alt? 

(lacht) Ich bin 26.

Braucht es in solchen Organisationsgruppen eine starke Persönlichkeit an der Spitze? 

Ein paar Zugpferde braucht man schon. Viel wichtiger ist jedoch, dass man Leute hat, die auch Bock haben, etwas zu machen. Zu sagen „klar, ich mache mit“ ist eine Sache. Die Ideen dann umzusetzen und wirklich etwas zu tun, die andere…

Bist du ein solches Zugpferd? 

Ich glaube, ich kann sehr viel Nutzen aus gemeinschaftlichen Aktionen ziehen. Wenn man dann noch etwas Anerkennung von außen bekommt, ist es umso schöner.

Rumsitzen und gammeln ist irgendwie nichts für mich. Da wird mir ganz schnell langweilig. Ich muss immer was tun!

Was war das krasseste, was du erreicht hast? 

Puh, das ist schwierig. Aber ich denke, das was mich am meisten stolz macht, ist, dass wir heutzutage eine funktionierende Studierendenschaft haben.

Die habe ich mit einigen anderen erst aufbauen müssen. Trotz den besetzten Ämtern in den Gremien hatten wir am Anfang gar nichts. Keine Connections, kein Netzwerk, nicht mal einen Raum. Den haben wir uns dann gesucht (lacht) und nach und nach kam eins zum anderen. Inzwischen läuft der Laden!

Und wie baut man eine Studierendenvertretung auf? 

Zunächst einmal handelt es sich bei der ganzen Geschichte ja um Ehrenämter. Das muss man immer im Hinterkopf behalten. Dazu muss man erstmal dazu fähig sein, Menschen zu begeistern.

Und dann muss für die entsprechende Infrastruktur gesorgt werden, damit man ordentlich arbeiten kann. Das ist dann der schwierigere Teil (lacht).

Der Fokus sollte immer auf den Menschen liegen. Den Babo spielen bringt da nix. Man muss auf die Menschen eingehen und unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigen. Dabei sollte man Freiraum zur Gestaltung geben, aber auch Strukturen und Rückhalt. Die Strukturen bilden eben den Rahmen des

Möglichen. Auch bei Engagement muss es ja Grenzen geben. Wenn das klappt, ist es eigentlich ein Selbstläufer.

Wichtig ist auch, so blöd es sich anhört, zu networken und erstmal mit den Leuten zu labern. Das kann ich gut (lacht).

Dabei darf man nicht darauf hören, wenn jemand sagt „Studierende haben ‚eh keine Zeit und Lust, sich nebenbei zu engagieren.“ Das halte ich für Blödsinn. Alle wollen sich bestimmt nicht engagieren, aber es reicht ja schon, wenn es ein paar wenige tun.

Was macht einen guten Vorsitz aus? 

Eine Vorsitz muss Supporter für andere sein, die Steine aus dem Weg räumen. Er muss Vision haben und rüberbringen.

Eigentlich steht man dabei nicht ganz oben, sondern ganz unten und trägt alle anderen auf den Schultern.

Was hast du dabei gelernt? 

Wenn zu viel auf eine Person fällt, ist das doppelt schlecht: Es ist persönlich belastend und lähmt die Struktur.

Macht abzugeben ist verdammt schwer, aber notwendig. Man soll immer dann gehen, wenn es am schönsten ist.

Und man muss Leute machen lassen. Manchmal denkt man sich „Was ist denn das für ein Schluri?“ Dann braucht es nur einen Funken, dass die richtig abgehen. Es ist einfach geil zu sehen, wie sich Leute persönlich weiterentwickeln.

Was würdest du heute jemandem raten, der sich engagieren möchte? 

Im Studium hat man die Möglichkeit, viel für sich selbst zu lernen. Aber man muss das Studium eben auch nutzen, um sich selbst auszuprobieren. Durch Engagement, z.B. in der VS wird es möglich, sich in verschiedenen Rollen auszuprobieren. Als Führungskraft [oder wie verbronxt. als Hobbyjournalisten; Anm. d. Red.].

Also: Engagiere dich und genieß die Zeit! Wenn de schaffe musch, ischs nemmer so gut.

*Der AStA e.V. war ein Verein, der bis zur Wiedereinführung der Studierendenschaften versuchte, ein Mindestmaß an Studierendenvertretung aufrechtzuerhalten. Außer dem Namen hat er mit dem tatsächlichen AStA nichts gemeinsam. Näheres findest du im Artikel „AStA/ AStA e.V.?“ aus Ausgabe Nr. 1. Auch zu lesen unter verbronxt.asta-hhn.de.

 

Interview: Jonas Speiser, Mira Reichenbach
Bild: Iqbal Firmansyah

 

Dieser Artikel erschien in Ausgabe Nr. 6 vom 31.05.2017.

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